Mit Tschaikowskis „lyrischen Szenen“ präsentiert das Mainfranken Theater eine dramatische Liebesgeschichte.

Das Werk bewegt sich im Spannungsfeld von träumerischer Sehnsucht und einengenden gesellschaftlichen Konventionen. Regie führt Agnessa Nefjodov. Als Interpret der Titelpartie gibt Bariton Hinrich Horn sein mit Spannung erwartetes Debüt. Am 4. Juni findet die Premiere von Eugen Onegin in der Theaterfabrik Blaue Halle statt. Mit den 1877 bis 1879 entstandenen lyrischen Szenen Eugen Onegin, basierend auf Alexander Puschkins gleichnamigem Versroman, gelang Tschaikowski der erste musikdramatische Höhepunkt seiner Laufbahn. Zur Komposition angeregt wurde er unter anderem durch Georges Bizets Oper Carmen, die er 1876 kennengelernt hatte. Ähnlich wie Bizets französische Oper auf den Verismo Mascagnis, Leoncavallos und nicht zuletzt Puccinis vorausweist, schwebte Tschaikowski eine Erneuerung der russischen Oper vor. Bewusst ist die Handlung des Eugen Onegin im Alltagsleben verortet, die persönlichen Schicksale Onegins und Tatjanas auf der einen und Lenskis und Olgas auf der anderen Seite werden vor allem in ihrer psychologischen Verflechtung offengelegt.

Die Handlung: Emotionen versus Konventionen

Tatjana wächst mit ihrer Schwester Olga in der russischen Provinz auf. Mit dem Erscheinen Eugen Onegins – ein Freund von Olgas Verlobtem Lenski – gerät ihr Leben aus den Fugen, und eine nicht gekannte Liebessehnsucht erwacht in ihr. Doch Onegins schroffe Absage an Liebe und Ehe wendet ihren träumerischen Zustand ins Albtraumhafte. Jahre vergehen, ehe sich beide erneut begegnen. Nun ist es Onegin, der der mittlerweile verheirateten Tatjana seine Liebe bekennt. Sein verzweifeltes Flehen, sich jetzt mit ihm auf ein gemeinsames Leben einzulassen, lässt in ihr noch einmal das einstige Liebesverlangen aufblitzen. Tatjana jedoch sieht sich ausweglos gefangen zwischen dem Begehren Onegins und ihrem Stand als Ehefrau an der Seite des Fürsten Gremin. „Wir sehen, wie die gesellschaftlichen Konventionen einen freien Geist zwingen, sich gegen seine eigenen Gefühle zu stellen. Und vielleicht fragt man sich am Ende: Was bringt es, jemandem seine Liebe zu gestehen, wenn der andere dafür nicht bereit ist?“, so Horn über die herausfordernde Titelpartie.

„Lyrische Szenen“ zwischen Gefühl und Erleben

Für Regisseurin Agnessa Nefjodov liegt der besondere Reiz an Tschaikowskis Eugen Onegin zuallererst in seiner überbordenden Emotionalität. „Die Charaktere scheinen manchmal geradezu innerlich zu zerspringen. Alles wird in einer Intensität wahrgenommen, die aber keinen Platz in der Realität findet: Alles gefühlt, nichts gelebt! Mich interessiert und fasziniert an Eugen Onegin genau diese Frage: Was ist stärker: Das, was wir fühlen, oder das, was wir erleben?“ Tschaikowski selbst verwendete für sein Werk die Gattungsbezeichnung „lyrische Szenen“. Statt einer zusammenhängenden Geschichte liefert Onegin in sieben Bildern (Szenen) eine Abfolge von drei individuellen Tragödien: die Tatjanas (im 1. Akt), die des Dichters Lenski (im 2. Akt) und die Onegins (im 3. Akt). Nefjodov, die in Berlin und Moskau studierte und als freischaffende Regisseurin unter anderem am Landestheater Salzburg und am Theater Krefeld/Mönchengladbach tätig war, setzt diese Tragödien gemeinsam mit Bühnenbildner Volker Thiele und Kostümbildnerin Nicole von Graevenitz in Szene.

Herausfordernde Titelpartie: Hinrich Horn in der Rolle des Eugen Onegin

Am Mainfranken Theater stand Tschaikowskis Eugen Onegin zuletzt in der Saison 1998/99 auf dem Spielplan. In der Neuinszenierung von Agnessa Nefjodov verleiht Hinrich Horn der Titelfigur Gestalt und Stimme, die vom Quartett über den Smalltalk mit Tatjana bis hin zur Arie im 2. Akt eine enorme Bandbreite abverlangt: „Um diese verschiedenen Bedürfnisse abzubilden, braucht man eine tragfähige Stimme, die sich wie selbstverständlich in das musikalische Geschehen fügt“, so Horn, der zuletzt unter anderem in der Rolle des Papageno in Die Zauberflöte zu erleben war. Gesungen wird in russischer Sprache mit deutschen Übertiteln. In der Vorbereitung setze er sich intensiv mit russischer Sprache und kyrillischer Schrift auseinander. Ihm zur Seite stehen in den weiteren Hauptrollen und ebenfalls allesamt in Rollendebüts Silke Evers (Tatjana), Marzia Marzo (Olga), Roberto Ortiz (Lenski) und Igor Tsarkov (Fürst Gremin). Chor- und Extrachor des Mainfrankentheaters unter der Leitung von Sören Eckhoff komplettieren das Ensemble. Das Philharmonische Orchester Würzburg spielt unter der Leitung von Generalmusikdirektor Enrico Calesso.

(Im Bild zu sehen: Lenski (Roberto Ortiz, rechts) fordert Onegin (Hinrich Horn, Mitte) zum Duell; Foto: Nik Schölzel)

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